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Oswald von Wolkenstein: Politiker, Poet, Komponist
Ein Porträt in Wort und Ton
Oswald von Wolkenstein:
Leben – Werk – Rezeption
4. – 7. November 2009
Tagung des Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol und des Interdisziplinären Zentrums für Mittelalterstudien (IZMS) der Universität Salzburg
Eberhard Kummer
(Musik) und Margarete Springeth (Text)
Kl. 21: Ir alten weib
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1
Ir alten weib, nu freut eu mit den jungen!
was uns der kalte winter hat betwungen,
das wil der meie mit geschraie dungen
mit süsser krafft, den würzlin geben safft.
Des kalden snees mag er nit lenger tauren;
was sich versmogen hat in krumbes lauren,
das wil er wecken, recken schir aus trauren,
laub, plümlin plüd, gras, würmli, tierli müd.
Ir voglin, smierbt eur rauhe kel,
trett auff höher, singet hel!
ir wilden tier, verneut eur fel,
hart welgt euch in den plümlin gel!
ir freulin, gailt eu sunder quel!
gepawer, reut ain ander mel,
das du den herbst wilt bachen.
Perg, au und tal, forscht, das gevild
sich schon erzaigt aus grundes mild;
All creatuer, zam und wild,
nach junger frucht senlichen quillt,
jetz seim geleichen nach gepildt;
mein örsch schreit gen des maien schilt,
des tüt der esel lachen.
Raien, springen,
louffen, ringen,
geigen, singen,
lat her bringen,
klumpern, klingen,
mündli zwingen,
frölich dringen
gen den freulin zart.
An verlangen
well wir brangen
in den sangen
mit verhangen
laub die wangen
mit ermlin umbfangen,
zünglin zangen,
des freut sich mein bart.
|
1
Ihr alten Frauen, freut euch mit den jungen!
was uns der kalte Winter hat vernichtet,
das will der Mai mit lautem Schall beleben,
mit süßer Kraft den Würzlein geben Saft,
Den kalten Schnee kann er nicht länger haben,
was sich verborgen hat in krummem Warten,
wird er aufwecken, lösen aus dem Kummer:
Blatt, Blümlein, Blüte, Gras und matte Tierlein.
Ihr Vöglein, ölt die raue Kehl',
in die Höhe, singet laut!
Ihr wilden Tiere, erneut das Fell,
und wälzt in gelben Blümlein euch!
Ihr Fräulein, freut euch unbeschwert!
Und Bauer, sorg' fürs neue Mehl,
das du im Herbst willst backen.
Berg, Au und Tal und Wald und Feld
die sind so schön auf gutem Grund,
die Lebewesen, zahm und wild,
die sehnen sich nach junger Brut,
nach ihrem Vorbild nachgeformt,
mein Pferd wiehert dem Maien zu,
darüber lacht der Esel.
Tanzen, springen,
laufen, kämpfen,
geigen, sinqen -
her mit allem!
Klimpern, tönen,
Mündlein pressen,
fröhlich drängen
zu den Fräulein zart.
Ohne Jammer
woll'n wir zieren
mit den Blumen
und den Blättern
uns're Wangen,
mit den Armen uns umschlingen
Zünglein fassen -
so freut sich mein Bart.
|
2
Wie wol der gauch von hals nit schon quientieret
und der franzoisch hoflich discantieret:
"gug gugk, lieb ruck", der hal mir bas sonieret
und freut mich vil für Jöstlins saitenspil.
Hetz jagen, baissen, biersen, schiessen tauben,
vor grünem wald nach pfifferlingen klauben
mit ainer mait, beklait von ainer stauden
den lust ich breis für alle hofeweis.
Mai, dein gezellt gevellt mir wol,
wo man greslin baden sol;
ain jegklich wild besücht sein hol,
da es die jungen birgt vor dol.
"trinck tranck Katalon, Spaniol",
dasselb gesangk und "paga den zol"
der troschel nicht geleichet.
In demselben land so nam ich war,
und secht ir mir icht grawe har,
die trüg ich von den freulin zwar,
die weissen bainlin wolgevar
verdackt mit roten hosen gar
und ire liechte öglin klar
mit swarzer farb bestreichet.
Der mich aine,
die ich maine,
freut allaine;
leib, gebaine
wer nicht saine,
mein trauren klaine,
ach, die raine,
mitt sis hosen tüch.
Mit den gebunden
snüren unden,
gar verswunden
wer mein wunden,
und hett funden
all mein kunden;
in Paris, Lunden
frümt ich ir zwen schüch.
|
2
Der Kuckuck trällert gar nicht schön die Quinten,
doch singt ein Höfling den Diskant französich,
dann klingt das "Kuckuch, rück', "Schatz"schon
viel besser
und freut mich mehr als Jösntlins Saitenspiel.
Hetzjagd, Beizen" Pirschen, Taubenschießen,
beim grünen Wald nach Pfifferlingen suchen
mit einem Mädchen hinter einer Staude:
Die Lust lob ich vor jedem Hofgesang.
Mai, dieses Zelt gefällt mir sehr,
wo man die Gräslein baden soll,
denn jedes Wild sucht seinen Schutz,
wo es die Jungen schützt vor Leid.
Trink, Katalone, Spanier, den Trank,
diesen Gesang und zahl den Zoll,
das Lied gleicht nicht der Drossel.
In diesem Land erlebt', ich viel;
wenn graues Haar ihr an mir seht,
so kamen sie von Fräulein her,
die ihre Beine weiß und schön
mit roten Hosen eingehüllt
und ihre Strahlen-Äuglein hell
mit schwarzer Farbe schminkten.
Deren eine,
die ich meine,
freut mich einzig;
Leib und Beine
wär'n nicht träge -
weg mein Trauer.
Ach, die Edle,
wär Hose weg!
Mit den Schnüren
unten offen
wär' mein Sehnen
bald verschwunden,
all mein Streben
wär" erfüllt dann,
in Paris und London
kaufte ich zwei Paar Schuhe.
|
3
Gar waidenlich tritt si den firlifanzen,
ir hohe sprüng unweiplich sind zu tanzen,
ouch hat si phlicht, des angesicht zu verglanzen,
dieselbig mait, die ring in oren trait.
Mein langer bart, der hat mir dick verschroten
vil manchen schmutz von zarten mündlin roten,
die schöne wenglin für die hendlin botten,
wenn si die leut empfiengen mit gedreut.
Ir neglin rot mich machen krank,
die sein gewunden krump zu lanck,
nider auff die erden ist ir swanck,
sitzen pfligt si sunder wanck;
ouch lob ich den umbehanck
bei den betten vor den klanck
zu ainlitz von der gloggen.
Ispania, Preussen, Soldans lant,
Tenmarck, Reussen, Eifen strant,
Afferen, Frankreich, Engelant,
Flandern, Bickardi, Prabant,
Cippern, Nappel, Romani, Duscant,
Reinstram, wer dich hat erkant,
bistus der freude tocken.
Da zissli müssli
fissli füssli
henne klüssli
kompt ins hüssli
werfen ain tüssli,
sussa süssli,
niena grüssli
wel wir sicher han.
Clerli, Metzli,
Elli, Ketzli,
tünt ain setzli,
richt eur letzli,
vacht das retzli!
tula hetzli,
trutza trätzli,
der uns freud vergan.
|
3
Wie stattlich schreitet sie in diesem Reigen,
die Sprünge sind unfraulich bei dem Tanze,
nach ihrer Art ist das Gesicht recht glänzend
das Mädchen trägt die Ringe in den Ohr'n.
Mein langer Bart der hat mir oft verhindert
recht .viele Küsse von den zarten Mündlein,
die schöne Wänglein statt der Händlein boten,
wenn sie die Leut' empfingen mit dem Kuss.
Die roten Nägel stören mich,
sie sind gebogen und zu lang,
sie wirft sich auf den Boden hin
und bleibt dort sitzen regungslos;
auch lobe ich den Bettvorhang
rund um die Betten noch viel mehr
als jeden Schlag der Glocken.
Wer Spanien, Preußen, Ägypten auch,
und Dänemark, Russland, Estland dann,
Navarra, Frankreich und England,
und Flandern, Pikardie, Brabant,
Zypern, Neapel, Byzanz, die Toskan(a),
das Rheinland auch bereits gut kennt -
du bist die Freudenpuppe.
Oh, Ziesel-Mäuslein,
Füßlein, Fisslein,
Mennlein, Kläuslein,
kommt ins Häuslein,
spiel ein Spielchen
sausend, säuselnd,
haben sicher
gar kein Zänklein da.
Klärchen, Mätzlein,
Elli, Kätzchen,
macht ein Sprünglein,
schnürt die Röckchen,
fasst das Rätzlein!
Eine Hetzjagt,
Trotz.und Trötzlein,
wer die Freud' missgönnt.
|
Wir, Eberhard Kummer und ich, begrüßen Sie sehr herzlich zum heutigen Abend, an dem der mittelalterliche ‚Südtiroler’ Politiker, Poet und Komponist Oswald von Wolkenstein im Mittelpunkt stehen wird. Oswald gehört zu jener kleinen Gruppe mittelalterlicher Künstler, deren Leben historisch außerordentlich gut dokumentiert ist. Etwa 700 Urkunden, entweder von ihm selbst ausgestellt oder mit Bezug auf ihn, bezeugen einen relativ gut datierbaren und nachvollziehbaren Lebenslauf. Von dieser Lebensgeschichte finden sich immer wieder Reflexe in seinen über 130 Liedern. Sie illustrieren einen aufregenden, abenteuerlichen, kämpferischen, aber auch alltäglichen und bisweilen außerordentlich mühevollen Lebensweg. Wir haben für Sie eine Auswahl aus eher selten aufgeführten Liedern zusammen gestellt und möchten Ihnen ein Porträt Oswalds in Wort und Ton vorführen, das Ihnen einen kleinen Einblick in das bemerkenswerte Leben dieses talentierten ‚Südtirolers’ gewähren soll. Unser Programm enthält nur einen einzigen Hit, das sogenannte „Greifenstein-Lied“. Dazu jedoch später. Ergänzt wird dieses musikalische Kurzporträt durch vorwiegend zeitgenössische Texte, deren Autoren sich literarisch produktiv mit dem Phänomen Oswald auseinandergesetzt haben.
Den Sänger dieses Abends, Eberhard Kummer, brauche ich auf Schloss Tirol eigentlich nicht mehr vorzustellen, denn er war hier bereits mehrmals mit verschiedenen Liedprogrammen zu Gast. Er ist Spezialist für historische Musik und arbeitet zur Zeit zusammen mit dem Ensemble Unicorn, das ebenfalls schon auf Schloss Tirol zu Gast war, an einer Gesamtaufnahme der Lieder Oswalds. Heute Abend verwendet er als begleitende Instrumente zwei Drehleiern und eine Schoßharfe.
Sie haben soeben einen temperamentvollen Ausdruck der Lebensfreude, des erotischen Vergnügens und der Tanzlust gehört. Oswald verbindet in diesem Lied den Typus des Frühlings- bzw. Sommerliedes mit Erinnerungen an seine Reise nach Spanien und Frankreich, die er in den Jahren 1415-16 im Gefolge König Sigmunds unternommen hat.
Kl. 17: Var, heng und lass
Bei einer Umfrage unter Schülern der 3. Klassen Mittelschule in Algund bei Meran, also etwa 14-jährigen Jugendlichen, stellte sich heraus, dass viele den Namen Oswald von Wolkenstein schon einmal gehört haben, jedoch nichts Spezifisches damit verbinden. Etwa die Hälfte von ihnen weiß, dass Oswald von Wolkenstein ein Minnesänger war, einer der Schüler wusste: Das ist so ein Ritter, der so herumgereist ist.
Unter diesen vielen Reisen Oswalds befand sich auch eine Pilgerreise nach Palästina, ins Heilige Land, zu der er wahrscheinlich im Jahr 1409, spätestens 1410, aufgebrochen ist.1 Da er Jerusalem und Bethlehem namentlich erwähnt, kann man davon ausgehen, dass ihn seine Reise auch an diese beiden bedeutenden religiösen Stätten des Christentums geführt hat. Seinem Freund und politischen Gönner, dem Kurfürsten Ludwig III. von der Pfalz, gab er viele Jahre später Ratschläge für dessen Jerusalem-Reise. So empfiehlt ihm Oswald für die Überfahrt von Venedig nach Palästina ein schnelles, wendiges Schiff und rät dringend von den Kaufmannsschiffen ab, die Pilger überlicherweise benutzen. Diese, das weiß Oswald aus eigener Erfahrung, sind häufig überfüllt, führen schlechten Proviant mit und können zur Zielscheibe schnellerer Piratenschiffe werden:
… vnd mócht Ihr ain aigne galee subtil fur ewer gnad selber haben dz dewcht mich ráttlich sein wann dz Ir auf ainer kauf galee faren solt vnd wer auch furstlicher vnd sicherer mit besserm gemach vnd gesund
Was den Aufenthalt im Heiligen Land betrifft, schöpft Oswald ebenfalls aus dem Fundus seiner eigenen Erfahrungen, wenn er dem Pfalzgrafen zur Vorsicht rät. Er möge darauf verzichten, zum Jordan oder nach Jericho zu reiten, damit er sich nicht der Gefahr von Straßenräubern aussetze, die, oft im Bund mit Dolmetschern und Reiseleitern, Christen überfallen und ausrauben. Auch Jerusalem sei ein gefährliches Pflaster, besonders das Tal von Josophat, wo das Grab der Maria liegt:
Auch lat ewer gnad nicht vberreden dz Ir zudem Jordan oder gen Jericho raiten welt wann daselbst vil falsch heiden ligen auf der strasz die cristen zu vbervallen vnd zu ermorden vnd da halten es dy trúczschen lewt vnd glaits lewt haimlichen mit … vmd wenn Ir dy haligen stet zu iherusalem suchen werdt da sol sich ewer gnad auch fúr sehen vnd besunderlich Inndem tal ze Josophat da vnser fraw leyt
Die Erinnerungen an seine eigene Palästina-Reise hat Oswald in mehreren Liedern verarbeitet, unter anderem auch im folgenden, das Ihnen Eberhard Kummer nun vorführen wird. Achten Sie dabei vor allem auf den virtuosen Einsatz von Fachausdrücken aus der Seefahrersprache, die dieses Lied kennzeichnen. Oswald erweist sich als profunder Kenner dieser Fachsprache sowie auch der acht Winde, die er in der Reihenfolge der Windrose nennt:
- ponant = Westwind
- maistro provenz = Nordwestwind
- trumetan = Nordwind
- grego = Nordostwind
- levant = Ostwind
- scherock = Südostwind
- osst (ostro) = Südwind
- gorwin = Südwestwind
Var, heng und lass
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1
"Var, heng und lass, halt in der mass,
bis das du vindst die rechten sträss,
und kanstu das, so bis dus, morner, weise.
Sag mir, wo hin stet dir dein sin?
ob ich dir raten kund darinn,
spar mich nicht drinn, oder du wirst greise."
Der knab, der sprach: "in diser vart
mag du mir wol erschiessen, herzen freulin zart;
gar unverspart ist dir meins herzen trachten.
In Suria stet mein gedanck
zu fronem grab nach deinem rat gar sunder wangk,
nach deinem dankh so wil ich teglich achten."
Si fiengen sich mit luste
ze hauff mit ermlin vol,
ir ains das ander kusste,
das geviel in baiden wol.
si sprach: "var hin mit sitten,
hüt dich vor kalamiten,
seid ich dir raten sol.
|
1
"Geh', lasse alles, warte nur,
bis du den rechten Weg dann find'st,
und kannst du das, bist du ein weiser Seemann.
Sag mir, wohin steht dir der Sinn?
Wenn ich dir raten könnt' dabei:
Verzicht' nicht drauf, sonst wirst du grau bald."
Der Jüngling sprach: "Bei dieser Fahrt
kannst du mir sehr gut helfen, liebstes Fräulein zart,
es ist ganz klar, wonach mein Herze trachtet:
Nach Syrien da steht mein Sinn,
zum heiligen Grab nach deinem Rat, mein Wille
ist's,
ich will nach deinem Lohn jetzt täglich streben."
So fassten sie sich lustvoll,
mit ihren Armen fest,
sie küssten sich einander,
das tat den beiden gut.
Sie sprach: "Fahr' hin gehorsam,
hüt' dich vor Kalamiten,
das rate ich dir sehr."
|
2
Die brüff ze hant ker in levant,
und nim ze hilf an allen tant
den wint ponant mitten in dem poppen.
Des segels last zeuch an dem mast
hoch auf dem giphel, vach den gast,
timun halt vast und la das schiff nicht noppen.
Maistro provenz hilft dir vordan
mit gunst des klügen elemente trumetan,
grego, der man, vor dem so müstu orzen.
Challa, potzu, karga behend!
mit der mensur und nach des kimpas firmament
den magnet lent, levant la dich nicht forzen.
Wassa alabanda! - springen
teuff in die sutten hinab!
forton la dich nicht dringen,
du var ee in die hab!
mag dir die porten werden,
so hütt dich vor der erden,
du wirf der ancker ab.
|
2
Wend' deinen Bug nach Osten gleich
und nimm' zu Hilfe ohne Leichtsinn
den Westwind, der vom Heck her bläst dann.
Das ganze Segel hiev' am Mast
hoch auf die Spitze, fang' den Wind,
halt' fest das Steuer, lass das Schiff nicht
schlingern!
Nordwestwind hilft dir weiter,
die Gunst des Nordwinds Tramontana auch,
zum Greco, Steuermann, musst du dann hindreh'n,
die Brassen lösen, schnell zum Tau!
Mit deinem Maß und nach des Kompass Nadel
richt' den Magnet, lass' dich vom Levant nicht
abdrängen.
Springt auf die andre Seite rüber,
springt in den Kielraum runter,
lass' dich vom Sturm nicht zwingen,
fahr' in den Hafen schnell!
Kannst du ihn dann erreichen,
dann hüt' dich vor Untiefen
und wirf den Anker aus!
|
3
Zu manger zeit kompt dir mit neid
scherock mit grossem widerstreit,
mit dem so leid ser schrotten in dem wagen,
Derselbig wurm pringt geren sturm,
vach ain quart mit des zirkels furm,
ob du wirst durm, so tü doch nicht verzagen.
Challa fella, eiola grosso pald,
plasübla rüg die marner, mit dem strang nicht halt,
kompt mit gewalt, der osst in tüt vertreiben.
Derselb mag dir zestatten kummen
mit halber macht, als ich es vormals hab vernumen
isso zu frummen, tü im chaiola reiden.
Die steur richt im klüge
engegen mit dem sin,
kompt dann gorwin mit füge,
der jagt dich bald dahin
den weg gen oriente.
got dich herwider sendte,
du traut geselle mein!"
|
3
Oft kommt dir der Schirokko scharf
mit großem Widerstand daher,
das leidest du durchs Schaukeln auf den Wellen,
denn dieser Bursche bringt gern Sturm,
ein Zirkelviertel zeichne auf,
und wirst du seekrank, sollst du nicht verzagen.
Streich' nur die Segel, vorwärts geht's
befehlige die Seeleut', merk' die Strömung recht,
der Ostwind wird sie mit Gewalt vertreiben.
Und dieser kann dir günstig werden,
bei halber Kraft, wie ich es schon vernommen;
die Segel hisse, wende sie ihm zu.
Richt' ihm das Steuer günstig,
entgegen mit Verstand,
kommt dann Südwestwind richtig,
so jagt er dich schnell weiter
dem Orient entgegen.
Gott sende dich zurück dann
mein allerliebster Freund!"
|
Kl. 85: „Greifenstein-Lied“
Karl Felix Wolff überliefert in den Dolomitensagen, einer Sammlung von Märchen, Sagen und Sagenzyklen aus dem Dolomitenraum, eine Erzählung unter dem Titel Eisenhand (Man de fyèr). Es handelt sich dabei um eine von meheren Sagen, die sich um den Antermoja-See im Fassatal ranken. Hier soll Oswald von Wolkenstein das Spielen der Leier erlernt haben. Seine Lehrmeisterin sei die Tochter eines Bergkönigs, Rej de Munt, gewesen. Die Sage selbst erzählt die Geschichte eines jungen Mannes namens Oswald, dessen zerbrochenes Liebesglück der Preis ist für seine musikalische Virtuosität. Wolff vermutet in der Sagenfigur Oswald „einen Barden der alten ladinischen Zeit“, dessen Geschichte im Verlaufe der Überlieferung auf Oswald von Wolkenstein übertragen worden sei. Erstmals erwähnt wird die Sage 1908. Zehn Jahre später, 1918, erscheint eine Fassung der Sage, die Wolff 1925 in die dritte Auflage seiner Dolomitensagen aufnimmt. Die Sage wird im Folgenden mehrfach variiert und mit anderen Motiven verknüpft. Es ist ungewiss, welcher Teil der Sage tatsächlich ursprünglich aus der ladinischen Sagentradition stammt und welcher Teil als ‚Zudichtung’ Wolffs interpretiert werden muss. Hören Sie im Folgenden die Fassung dieser Sage aus dem Jahr 1918:
Oswald von Wolkenstein wird als kleiner Knabe von der Mutter durch einen Zauberspruch vor einem Wahrspruch geschützt: ihm war geweissagt worden, daß er ein glücklicher Mensch werde, wenn er dem Saitenspiel fern bleibe, daß sein Lebensglück aber zerbreche, wenn er sich der Musik zuwende. Die Mutter ließ ihm nun die Hände verzaubern, daß er kein feines Instrument anrühren könne, ohne es zu zerbrechen. Daher nannte man ihn „Mandefier“. Oswald wird nun ein Krieger und Jäger und geht in den Bergen auf die Jagd. Dabei lernt er eine wunderschöne Elfe kennen, die herrlich singen kann und die er heiraten möchte. Die Elfe willigt ein, verbietet ihm aber, jemals nach ihrem Namen zu fragen. Die Elfe erklärt ihm auch, daß der Bann, der auf ihm liegt, und der ihm den Zugang zur Musik verwehrt, nur durch ein großes Leid gebrochen werden könne und rät ihm, von der Kunst nur ja fern zu bleiben.
Oswald ist mit allem einverstanden, lauscht jedoch in der Nacht dem Gespräch von wilden Weibern und erfährt dabei unbeabsichtigt den Namen seiner Braut: Antermoja.
In einem Gespräch mit ihr vergißt er das Namensverbot und nennt sie beim Namen. Die Elfe beginnt zu klagen und erklärt, daß sie nun auf immer fortgehen müsse, schenkt Oswald zum Abschied die Harfe und wird dann von einem ausbrechenden See verschlungen. Oswald trauert tief um seine Elfe, dadurch bricht der Bann und Oswald dichtet auf seiner Harfe ein wundervolles Lied. Er wird zum größten Sänger des Landes, aber sein Lebensglück ist dahin.
Von dieser kriegerischen Seite Oswalds zeugt das nächste Lied, das sogenannte „Greifenstein-Lied“. Die Entstehung wird im Jahr 1423 vermutet. Die drei Brüder Wolkenstein, Michael, Oswald und Leonhard, befinden sich im Siegestaumel, nachdem es ihnen gelungen ist, zwar nicht den Krieg, aber zumindest eine Schlacht im Kräftemessen gegen den Tiroler Landesfürsten, Herzog Friedrich IV. („Friedl mit der leeren Tasche“), zu gewinnen. Dessen Truppen hatten die Burg Greifenstein oberhalb von Terlan bzw. Siebeneich, auch unter dem Namen ‚Sauschloss’ bekannt, belagert, weil sie als Stützpunkt des Adelswiderstandes gegen den Landesfürsten galt. Die Truppen des Herzogs mussten aber schließlich einem Überraschungsangriff weichen, an dem die Wolkenstein-Brüder mitbeteiligt waren. Die Vertreibung der fürstlichen Truppen änderte allerdings nichts am Kräfteverhältnis zwischen Friedrich und der Adelspartei. Diese musste sich schließlich politisch geschlagen geben.
Hören sie nun das:
Greifenstein-Lied
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1
"Nu huss!"sprach der Michel von Wolkenstain
"so hetzen wir!"sprach Oswalt von Wolckenstain,
"za hürs!"sprach her Lienhart von Wolkenstain,
"si müssen alle fliehen von Greiffenstain geleich."
|
1
"Nun huss!", sprach Michel von Wolkenstein;
"Jetzt hetzen wir!", sprach Oswald von
Wolkenstein,
"Nur hin!", sprach Leonhard von Wolkenstein,
"sie müssen alle flieh'n von Greifenstein sogleich!"
|
2
Do hüb sich ain gestöber auss der glüt
all nider in die köfel, das es alles blüt.
banzer und armbrost, darzu die eisenhüt,
die liessens uns zu letze; do wurd wir freudenreich.
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2
Da hob sich ein Gestöber aus der Glut
und nieder in die Felsen, alles war voll Blut,
Panzer, Armbrust und den Eisenhelm
die ließen sie zurück - wir freuten uns da sehr.
|
3
Die handwerch und hütten und ander ir gezelt,
das ward zu ainer aschen in dem obern veld.
ich hör, wer übel leihe, das sei ain böser gelt:
also well wir bezalen, herzog Friderich.
|
3
Geräte, Hütten , ihre Zelte auch
die wurden bald zu Asche in dem obern Feld;
ich hör', wer übel leiht, das sei ein schlecht
Geschäft:
So wollen wir bezahlen, Herzog Friedrich.
|
4
Schalmützen, schalmeussen niemand schied.
das geschach vorm Raubenstain inn dem Ried,
das mangem ward gezogen am spann lange niet
von ainem pfeil, geflogen durch armberost gebiett.
|
4
Scharmützel und Scharmetzeln stoppten nicht,
das war vorm Rafenstein am Ried,
als mancher einen Nagelpfeil erhielt,
der von der Armbrust flog.
|
5
Gepawren von Sant Jörgen, die ganz gemaine,
die hetten uns gesworen falsch unraine,
do komen güt gesellen von Raubenstaine:
"got grüss eu, nachgepawern, eur treu ist klaine."
|
5
Die Bauern von Sankt Georgen, all zusammen,
die hatten mit Bertug geschworen;
da kamen von Rafenstein die Freunde:
Gott grüß' euch, Nachbarn, eure Treu' ist winzig.
|
6
Ain werfen und ain schiessen, ain gross gepreuss
hüb sich än verdriessen:"glöggel dich und seuss!
nu rür dich, güt hofeman, gewinn oder fleuss!"
ouch ward daselbs besenget vil dächer unde meuss.
|
6
Ein Werfen und ein Schießen, großer Sturm
hob an recht munter. Schlage Lärm und saus!
Beweg' dich, edler Höfling, gewinn oder verlier'!
Viele Dächer und auch Mäuse wurde dort
verbrannt.
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7
Die Botzner, der Ritten und die von Merän,
Häfning, der Melten, die zugen oben hran,
Serntner, Jenesier, die fraidige man,
die wolten uns vergernen, do komen wir der von.
|
7
Die Bozner, die vom Ritten und Meran,
Hafling und Mölten, zogen oben her,
Sarntaler, Jenesier, beherzte Leut',
die wollten uns dort fangen - doch kamen wir
davon.
|
Kl. 28: Menschlichen got
Die leider zu früh verstorbene Südtiroler Autorin Anita Pichler (1948 – 1997) nähert sich in einer ihrer Erzählungen Schritt für Schritt der Figur Oswalds an, dessen Biographie sie sozusagen zeichnerisch erarbeitet. Sie nennt ihre Erzählung selbst eine „Oswald-von-Wolkenstein-Biographie“. Im Jahr 1989 bei Suhrkamp erschienen, verknüpft dieser Prosatext die Biographie der historischen Figur des Wolkensteiners mit jener der beiden Protagonisten, einer Frau und eines Mannes, die sowohl privat als auch beruflich miteinander verbunden sind. Der Arbeitsauftrag für die Ich-Erzählerin Myriam besteht darin, einen geplanten Band zu den Liedern und Legenden über Oswald von Wolkenstein zu illustrieren. Im Verlaufe dieser zeichnerischen Annäherung verschwimmen immer wieder die Grenzen zwischen den beiden männlichen Hauptfiguren, Oswald und Max, den Auftraggeber der Illustrationen, bzw. werden auf vielfältige Weise netzartig miteinander verwoben. Nachdem Myriam den Zyklus von Zeichnungen abgeschlossen hat, befragt sie Passanten nach ihrem Wissen über Oswald. Wer ist Oswald von Wolkenstein?
Oswald von Wolkenstein ist ein bunter Hund … ein Blinder, ein Vielgeliebter, ein Sänger … er war einäugig, … ein Ritter … ein Dichter … Marienliedsänger, Tunichtgut. Ein Haudegen … wohl eine Legende. … ein Rebell … der Diener des Königs, der eine Affäre mit einer nichtadligen Dame hatte, die ihrerseits eine Affäre … Ein Raubritter. Ein Reisender, ein Abenteurer. Ein Kreuzritter, er hat gegen die Ketzer gekämpft, gegen Hexen. Nein, gegen Hexen nicht … er war ein finsterer Geselle, in geheime Machtspiele verwickelt, korrupt und … Ein Usurpator, er hat einen ladinischen Sänger aus der Legende verdrängt. Er war der letzte Minnesänger.
Die Erzählung trägt den Titel Wie die Monate das Jahr. Der Titel bildet gleichsam das Stichwort für das nächste Lied, das Ihnen Eberhard Kummer nun singen wird. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Kalenderlied, einen Cisiojanus. Der Cisiojanus ist ein mnemotechnisches Gedicht, mit dessen Hilfe man sich die Heiligen- und Feiertage der römisch-katholischen Kirche besser einprägen und merken kann. Von Oswald sind insgesamt zwei Cisiojani überliefert, ein ‚gesprochener kalender’, bestehend aus Reimpaarversen (Kl. 67), und ein strophischer, ‚gesungener kalender’ (Kl. 28). In diesem lyrischen Kunststück entspricht jedes Wort einem Tag im Jahr. Die etwa 170 Namen von Heiligen, die Oswald aufzählt, sind dabei am richtigen Ort im Lied, d.h. an ihrem jeweiligen Namens-Tag, platziert. Sie hören jetzt diesen ‚gesungenen kalender’, der vermutlich heute seine erstmalige Aufführung in der Moderne erlebt:
Menschlichen got
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1
Menschlichen got, beschnitten schon,
drei küng für Erhart hohen lon
han in dem tron, ouch Marcellus, Anthoni.
Prisca, Octavo, Fabien.
Agnes Vinzenzen wil besten,
Paul Pollicarpen, Hanns macht Val, Constantini.
Die Breid, Maria Blasen da,
Ag, Dor und Helena, Polen, Scolastica
Octavo lieplich loben.
Valtein und Julian began
Simeon fragen freuntlichen umb Peterman.
Ins Math Walpurg wil zoben.
|
1
O Mensch und Gott, beschnitten recht,
drei Könige geben Erhard Lohn
im Himmel, auch Marcellus und Antonius.
Prisca, Octvus, Fabian;
Agnes will Vinzenz entgegenkommen,
Paul dem Pollicarpus, Hans; Valerius dem
Constantin.
Brigitta, Maria, Blasius,
Agatha, Dorothea, Helena, Appollonia, Scholastika,
Preisen lieblich in der Oktav.
Valentin und Juliana
fragen freundlich Simeon nach Peter,
Johannes, Matthias, Walburga drängen.
|
2
Roman, Donat, Sim, Küng, Äderlin
pfinztages in des merzen schein
ain bedelein Gregorio beraiten.
Hilf, Marthan, das Gedrut verleich
uns herberg. Benedict, nit weich.
unser fraue reich, Ruprecht, well uns dort laitten.
Abrelle, wankelicher müt.
Ambrosius, der Celestim mit hohem früt
gab babst Leo dem Tiburzen.
Aufs ellend uns Valer schier ker,
ains güten endes Jörg, Marcus... hie gewer.
Vitalis früchtet wurzen.
|
2
Roman, Donatus, Simplicius, Kunigunde, Adrianus
die richten in dem Märzenschein
ein Bad dann dem Gregorius.
Hilf, Matrona, dass Gertrud
uns Herberg' geb, Benedikt,weich nicht!
Rupert soll uns dort zu unsrer Herrin führen.
April, wankelmütiger Gesinnung.
Abrosius und Coelestin die gaben
Papst Leo dem Tiburtius.
Valerius, zieh' aus der Not uns
ein gutes Ende Georg, Markus mögen geben.
Vitalis treibt die Pflanzen.
|
3
Philipp, Sigmund, creutz, Florian.
Gothart, Johanns, zwen hailig man.
Corbianus bran. Pangratz brangt der Sophellen.
Pilgrin, der bracht Potenz Basill,
ain maien plüd, durch Urbans will.
vergib Hanns, Zirill, genzlichen Petronellen.
Bewart, getreuer Asimus
und Bonifacius mit Senat. der Primi alsus
wart, pflanz las, Veut, nicht faulen.
Gelobt ain heilger ritter vein,
Achacius, und Johannes toufft Henselein.
peiss, Leo, Peter, Paulen.
|
3
Philipp, Sigmund, Kreuz, Florian,
Gotthart, Johannes, zwei heilige Männer.
Corbianus, Brandan, Pankraz schmückt die Sophia.
Pilgrim brachte Pudentia und Basilla
der Mai blüht wie's Urbanus will.
Vergebt, Johannes, Cyrillus der Petronella.
Beschützt, getreuer Erasmus,
Bonifatius und Senat; der Primus
warte, Vitus lass die Pflanzen nicht faulen.
Gepriesen sei ein heiliger Ritter,
Achacius, Johannes tauft dann Hänslein,
Leo nach Petrus, Paulus .
|
4
Die künigin vor Ulrich rait,
und ouch Kilianus dar nach schrait.
Margret, Hainz sait, tailunge gebt Allexen.
Arnolf, der lüd Praxederlein,
Magdalena junckfrau Cristein,
Jacob, Ändlein, die band Felix ain krächsen.
Petrus, Steffan, Steffanus frumm,
Oswaldus, Sixt. Affra, die romt Laurenzium,
und nussen Polt, Euseben.
Frau, trinck, sprach Agapt ain Bernhart,
fragt Thimotheen den Bartlomeen unverkart,
ob Ruff, Hanns, Augst mer leben.
|
4
Vor Ulrich ist die Königin,
auch Kilian verlangt danach.
Margret, Heinz sagt, gibt Alex die Teilung.
Arnulf lud Praxedis ein,
Magdalena, die Jungfrau Christina,
Jakob, Anna flocht Felix einen Tragkorb.
Petrus, Stefan, der ehrenwert Stefanus,
Oswald, Sixtus. Afra lobt Laurencius
und Hippolyt, Eusebius ernten Nüsse.
Frau, trink einen 'Bernhard', sprach Agapitus,
Timoteus fragt den Bartholomäus gerade heraus,
ob Rufus, Johannes, Augustinus noch leben
|
5
Gilg schankte güten most sant Mang,
Regin, Marei, Corbin, Illang.
Protüslin lang: hochgelobtes creutze froni.
Offnei Lamprecht, vernempt mich gar,
Matheus und Mauritz, Ruprecht zwar,
Virgil, Cosmar, Wenzla, Michel, Jeroni.
Remigius, kenst du Frenzelein
mit seinen faulen käsen? Dionis im gügelein.
Maxim Colman lert hangen.
Gall husch. Lucas göttlichen schraib,
Urs süchte Colen. Crispinus, Columb haim blaib;
Simon, Marz kunt Wolfgangen.
|
5
Ägidius schenkte guten Most Sankt Magnus,
Regina, Maria, Corbinian, Illang (Jacintus?),
Protus sang: "Hochgelobte Kreuzesherrschaft".
Euphemia, Lamprecht, hört mich an,
Matthäus, Moritz, Rupert auch,
Virgil, Kosmas, Wenzel, Michael, Hieronymus.
Remigius, kennst du Franziskus
mit seinem faulen Käse, Dionysius mit Kapuze?
Maximilian lehrte Koloman das Hängen.
Gallus, husch! Lukas schrieb göttlich,
Ursula suchte Köln, Krispinus, Kolumban
blieben daheim,
Simon, Narcissus künden Wolfgang an.
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6
Heiligen. Eustachius, der vieng wild.
Lienhart gebrüdern vier gilt.
Mart, Martein milt. Britzien gens briet Öttel.
Iss mit Elsbetha frölich, fro.
Cecil, Clement, Crisogono,
Kathrein, Cünzo, Virgil, louff nach Andriöttel.
Cant frölich"sola", Barbara!
Nicetus, Claus und Maria von Montsera,
Damasius und Lucie,
Die müssen alle hilflich sein.
auss India Thomas kündt uns das Ihesumlin.
Ste, Hanns, kind, Tho kumpt Silvreien...
|
6
Allerheiligen. Eustachius fing das Wild.
Leonhard beschenkt die vier Brüder.
Martin, Martinus freigebig, Britius briet Gänse
für Otmar.
Elisabeth isst fröhlich mit.
Cäcilia, Clemens, Chrysogonus,
Katharina, Konrad, Virgil, lauf nach Andreas!
Sing fröhlich so la, Barbara,
Nicetus, Klaus (Nikolaus), Maria von Montserrat,
Damasus und Lucia,
die müssen alle hilfreich sein.
Aus Indien verkündet uns Thomas das Jesulein.
Stephan, Johannes, Kinder, Tomas kommt, Silvester.
|
Kl. 26: Durch aubenteuer tal und perg
Mit Oswald bzw. mit Oswalds Werk haben sich mehrere zeitgenössische Lyriker auseinandergesetzt, darunter auch der Südtiroler Norbert C. Kaser (1947 – 1978), der als Ikone der modernen Südtiroler Autorinnen und Autoren gilt. Sein tragisch verlaufenes Leben und sein früher Tod mögen diese Mythen-Bildung noch forciert haben. Seine beiden bekanntesten Publikationen, Eingeklemmt und Kalt in mir, haben nicht nur Südtiroler Literaturgeschichte geschrieben, sondern sind auch außerhalb Südtirols rezipiert und zum Teil in andere Sprachen übersetzt worden. In den nachgelassenen Briefen Kasers findet sich eine auf seine eigene Biographie bezogene Nachdichtung der berühmten Lebensbilanz Oswalds: Es fügt sich (Kl. 18) unter dem Titel: de vita oswaldi von wolkenstein anno domini MCMLIIIVIII. Sie hören einen Ausschnitt aus Kasers unkonventioneller Oswald-Kontrafaktur, die vermutlich zu Beginn der 70er Jahre entstanden ist:
es war ich war so gegen vierzehn
& wollte einfach wissen wie welt aussieht.
so hab ich zugebracht mit not
bei vielem volk
drei pfennig im sack & ein belegtes brot
das war so alles.
von fremden & freunden geschlagen
gerade so
daß ich davonkam ging ich zu fuß
& dann nachricht
daß mein vater tot.
auto hatt ich keines
doch ich stahl es mir & wurde
mir gestohlen.
laufbursch hab ich gemacht &
koch & autowaescher & chauffeur
& dann in kreta
warens blaue hofen was ich
noch besaß.
im strengen land der deutschen
war ich
wie ich auch in litauen war &
weiter nach sibirien
irgendwie uebers meer in die tuerkei
bei mailand wieder herum
spanien frankreich & schweres
mit der polizei
zehn sprachen mit hand & fuß
erlernt: franzoesisch sehr viel
brockenweis arabisch russisch
italienisch & dergleichen mehr
da hab ich langsam spielen
gelernt
auf seltenen floeten die gitarre
war mein ein schlagzeug auch
so lebt sichs.
ich hab umfahren inseln & buchten
auf großen schiffen manches land
da ging eines davon
unter
auf einer schwimmenden tonne
hab ich mich gerettet
damals war ich fast reich
das ganze geld versank.
am ufer nahm ich dann
nackt wie odysseus von einem reichen mann
die tochter & sie gab mir
ein armband mit das ich
nicht vergessen kann
& kettchen & viele ringe.
wie ich mich so mit dem schmuck
den einflußreichen leuten meiner heimat zeig
die mir halfen & mich
unterstuetzten
brechen sie in lachen aus &
erklaeren mich fuer irr
sie beten ein gebet fuer meine
seele.
da will ich in mich gehen
in oestlicher schau
aber das dauert nicht lange
zwei jahre geht mein hang
auf kontemplierende lehre
& weil ich wieder wegmuß
ein auge hab auf eine
da fing ich an zu reisen ganz
mit normalen mitteln
zu ihr
so habe ich abgeworfen was mir
an weisheit nicht zustand
& trieb sport
alles vergessen der nebel verzogen
seither hab ich mich
um sie geschlagen.
es waer zu lang erzaehl ich meine not
dazu braucht’s den einen mund
von dem mein herz gefangen wie vom tod.
viel schweiß verbrauchte ich bei ihr
mein gesicht ist dick geworden
rot & bleich bei ihr & vor erinnerung.
Wahrscheinlich war diese Frau, bei Oswald ist damit wohl die Hausmannin gemeint, mit beteiligt an Oswalds Gefangenschaft 1427 in Innsbruck, die er im Lied, das Sie als nächstes hören werden, rückblickend schildert. Im Jahr 1421 eskaliert der Erbschaftsstreit um Burg Hauenstein. Von König Sigmund, als dessen Gesandter Oswald weiterhin aktiv ist, kommt keinerlei Unterstützung in dieser Angelegenheit. Als König Sigmund und Herzog Friedrich 1425 ihren politischen Konflikt beilegen und sich versöhnen, wird der Handlungsspielraum für Oswald noch enger, denn er hat nun im König keinen Fürsprecher mehr für seine Oppositionshaltung gegen den Tiroler Landesfürsten. Die finanzielle Situation Oswalds ist mehr als prekär. Während sich seine Brüder Michael und Leonhard in politischem Realismus üben und sich angesichts des schwindenden Einflusses der Adelspartei der Gnade Herzog Friedrichs unterwerfen, sieht Oswald in der Flucht den einzigen Ausweg. Er wird jedoch gefangen genommen und nach Innsbruck überstellt. Am Ende bleibt ihm schließlich nichts anderes übrig, als seinen Canossa-Gang zu Friedrich zu absolvieren, um aus der Gefangenschaft entlassen zu werden und wieder zu einem Leben unter einigermaßen normalen Bedingungen zurück zu finden. Hören Sie nun das Lied:
Durch aubenteuer tal und perg
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1
Durch aubenteuer tal und perg
so wolt ich varen, das ich nicht verläge,
Ab nach dem Rein gen Haidelwerg,
in Engelant stünd mir der sin nicht träge,
gen Schottlant, Ierrland über see
auf hölggen gross gen Portugal zu siglen;
nach ainem plümlin was mir we,
ob ich die liberei da möcht erstiglen
von ainer edlen künigin,
in mein gewalt verriglen.
|
1
Ich wollte zieh'n durch Berg und Tal
auf Abenteuer, dass ich nichts verschlafe,
hinab den Rhein, nach Heidelberg,
nach England stünd' mir der Sinn nicht wenig,
nach Schottland, Irland übers Meer
auf schwerem Schiff nach Portugal zu segeln.
Nach einem "Blümlein" (Orden) sehnt' ich mich,
dass ich den "Schmuck" dort könnt' ergattern,
von einer edlen Königin
und ihn recht gut verwahren.
|
2
Von Lizabon in Barbarei,
gen Septa, das ich weilent half gewinnen,
da manger stolzer Mor so frei
von seinem erb müsst hinden aus entrinnen.
Granaten hett ich bas versücht,
wie mich der rotte küng noch hett emphangen.
zu ritterschafft was ich geschücht,
vor meinen kindlin wer ich darinn gangen -
dafür müsst ich zu tisch mit ainem
stubenhaitzer brangen.
|
2
Von Lissabon ins Berberland
nach Ceuta, das ich einstens half erobern,
wo viele Mauren' stolz und frei
aus ihrem Hause rückwärts fliehen mussten.
Granada hätt' ich gern besucht,
als mich der rote König hat empfangen,
als Ritter war ich dort geshmückt
vor meinen Pagen wär' ich eingeritten -
statt dessen durfte ich bei Tische
beim Stubenheizer glänzen".
|
3
Wie wol ich mangen herten straiff
ervaren hett, des hab ich klain genossen,
seid ich ward zu dem stegeraiff
mit baiden sporen seuberlich verslossen.
dieselbig kunst ich nie gesach,
doch hab ich sei an schaden nicht geleret;
do klagt ich got mein ungemach,
das ich mich hett von Hauenstein verferret,
ich forcht den weg gen Wasserburg,
wenn sich die nacht versteret.
|
3
Obwohl ich viele arge Züg'
erlebt schon hab', hatt' ich doch keine Freude,
als ich zum Steigbügel sodann
mit beiden Sporen sorgfältig gebunden.
Die "Kunst" hab ich noch nie geseh'n,
auch hab' ich sie ohn' Schaden nicht erlernt dort.
Ich klagte Gott mein Ungemach,
dass ich von Hauernstein bin weggeritten,
ich fürchtete den Weg nach Wasserburg,
bei sternenklaren Nächten.
|
4
In ainem winckel sach ich dort
zu Fellenberg zwen boien, eng und swere.
ich swaig und redt da nicht vil wort,
ie doch gedächt ich mir nöttlicher mere.
wurd mir die ritterschafft zu tail,
in disen sporen möcht ich mich wol streichen.
mein gogelhait mit aller gail
geriet vast trauriklich ab in ain keichen;
was ich güt antlas dorumb gab,
das tet ich haimeleichen.
|
4
In einem Winkel sah ich dort
auf Vellenberg Fussfessein, enge, schwere;
ich schwieg und redete nicht viel,
doch dachte ich an schreckliche Geschichten.
Wär' ich hier ritterlich begrüßt,
mit diesen "Sporen" könnt' ich mich bewähren,
und meine freche Fröhlichkeit
die wurde traurig dort zu einem Ächzen,
was ich als "Ablass" mir gedacht,
das tat ich in Gedanken.
|
5
Also lag ich ettlichen tagk,
der römisch küng die sorg mir nicht vergulde,
das ich nicht wesst, wenn mir der nack
verschrotten wurd, wie wol ich hett kain schulde.
zwar oben, niden, hinten, vor
was mir die hüt mit leuten wolbestellet.
"wart, Peter Märckel, zu dem tor,
er ist bescheid, das er uns nit entsnellet!"
mein listikait hett in der fürst
die oren vol erschellet.
|
5
So lag ich viele Tage dort,
der König könnt' die Sorge nicht entgelten;
ich wusste nicht, wann mir's Genick
gebrochen würd, obwohl ich schuldlos war doch,
und oben, unten, hinten vorn
war'n Leute zur Bewachung beigegeben.
"Schau, Peter Märkel, hin zum Tor:
Er ist gerissen - dass er , nicht entkomme!"
Von meiner Schlauheit hat ihm der Fürst
die Ohren vollgesungen.
|
6
Darnach so ward ich gen Insbrugk
ain Preussen vart gen hoff köstlich gefüret,
dem meinem pfärd all über rugk
verborgenlichen niden zü versnüret.
ellender rait ich hinden ein
und hett doch nicht des kaisers schatz verstolen.
man barg mich vor der sunne schein,
für springen lag ich zwainzig tag verholen.
was ich da auff den knieen zerraiss,
das spart ich an den solen.
|
6
Danach wurd' ich nach Innsbruck hin
zum Hof wie bei dem Preußenzug geleitet,
und auf dem Rücken meines Pferds
unsichtbar unten festgebunden.
Elendig ritt ich hinterdrein
und hatte nicht des Kaisers Schatz gestohlen.
Man hielt mich ohne Sonnenlicht,
lag zwanzig Tag' versteckt anstatt zu tanzen,
was ich auf meinen Knien zerriss,
das spart' ich an den Sohlen.
|
7
Ain alter Swab, gehaissen Planck,
der ward mir an die seitten dick gesetzet.
Ach got, wie bitterlich er stanck!
von seinem leib wird ich des nicht ergetzet.
er trüg ain bain mit ainer klufft,
der autem gieng im wilde von dem munde,
darzü so felscht er dick den lufft,
vast ungehäbig niden an dem grunde;
und ob er noch den Rein verswellt,
wie wol ich im des gunde.
|
7
Ein alter Schwabe, er hieß Planck,
der wurde an die Seite mir gesetzt dicht,
ach Gott, wie fürchterlich der stank!
Von seinem Körper wurd' ich nicht entzückt dort:
An seinem Bein da war ein Loch,
der Atem kam ganz eklig aus dem Munde,
dazu verseuchte er oft die Luft
recht unmanierlich durch die Untere Seite,
verschmutzte dann auch noch den Rhein,
das würd' ich ihm wohl gönnen!
|
8
Der Peter Haitzer und sein weib,
Planck und ain schreiber, der was teglich truncken,
die machten grausen meinen leib,
wenn wir das brot zesamen wurden duncken.
simm, ainer kotzt, der ander hielt
den bomhart niden mit der langen mässe,
als der ain büxs von ander spielt,
die überladen wer, durch bulvers lasse.
hofieren, das was mangerlai
von in durch volle sträffe.
|
8
Der Peter Haitzer und sein Weib,
Planck und ein Schreiber, jeden Tag betrunken,
vor denen graute mich so sehr,
wenn wir das Brot gemeinsam tunkten.
Rums, der kotzt, der andre "spielt"
den Pumhart unten raus in langer Dauer,
als ob ein Mörser explodiert,
der überladen wär' mit Pulversmenge.
Die höf'sche Art die zeigten sie
durch manche arge Stöße.
|
9
Mein frölichkait gab tunckeln schein,
do mich gedenck hin hinder machten switzen,
das mich der phalzgraf von dem Rein
vor kurzlich bat, ob im ze tische sitzen.
wie gleich der falck den kelbern was!
der römisch küng hett mein so gar vergessen,
bei dem ich ouch vor zeitten sass
und half das krut aufs seiner schüssel essen.
da wider was ich von dem vierst
abgvallen ungemessen.
|
9
Die Fröhlichkeit wurd' finster mir,
als die Gedanken mich so machten schwitzen,
dass mich der Pfalzgraf bei dem Rhein
da kürzlich bat an seinem Tisch zu sitzen.
Der Falke und das Kalb war'n gleich!
Der röm'schen König hatte mich vergessen,
bei dem ich auch vor Zeiten saß,
und half das Kraut aus seiner Schüssel essen.
Dann aber war ich von dem First
gefallen in die Tiefe.
|
10
Noch waiss ich ainen inn der leufs
mit namen Kopp, den kund ich nie geswaigen;
der snarcht recht als ain hafenreuss,
wenn in der starck Traminner trang ze saigen.
zwar sölhen slaff ich nie gehort,
des müsst ich baide oren dick verschieben,
mein houbt hat er mir dick bedort,
das es mir von ainander wolde klieben.
wer ich ain weib, umb alles güt
so möcht er mir nicht lieben.
|
10
Noch einen kenn' ich aus dem Loch
mit Namen Kopp, den konnt' ich nie stumm
kriegen;
er schnarcht' dem Kesselflicker gleich,
den der Traminer niedersinken ließe.
Ich hörte noch nie solchen Schlaf,
und musste beide Ohren mir verstopfen,
den Kopf hat er mir so betäubt,
dass er mir auseinanderspringen wollte.
Wär eine Frau ich, könnt' ich ihn
um viel Geld auch nicht lieben.
|
11
Der Kreiger und der Greisnegger,
Moll Trugsäzz retten all darzu das besste,
der Salzmair und der Neidegger,
frein, graven, Säldenhoren, freunt und gesste,
die baten all mit rechter gier
den fürsten reich, durchleuchtig, hochgeboren,
da mit er wer genedig mir
und tet kain gäch in seinem ersten zoren.
er sprach: "ja werden solcher leut
von bomen nicht geboren."
|
11
Der Kreiger und der Greisnegger
und Truchsess Moll die redeten für mich bestens,
der Salzmair und der Neidegger
und Freie, Grafen, Säldenhorn und Freunde
die baten alle inständig
den mächt'qen, hohen, hochgebor'nen Fürsten,
dass er mir doch so gnädig wär'
und er im ersten Zorn nicht vorschnell handle.
Er sprach: "Er werden solche Leut'
auf Bäumen nicht geboren."
|
12
Die selbig red was wol mein füg;
mit meines bülen freund müsst ich mich ainen,
die mich vor jaren ouch beslüg
mit grossen eisen niden zu den bainen.
was ich der minn genossen hab,
des werden meine kindlin noch wol innen,
wenn ich dort lig in meinem grab,
so müssen si ire hendlin dorumb winden,
das ich den namen ie erkannt
von diser Hausmaninnen.
|
12
Die Rede war für mich sehr gut.
Ich musst' mit ihren Freunden mich versöhnen,
die mich vor Jahren noch beschlugen
mit großen Eisen unten an den Beinen.
Was ich durch Liebe da erhielt,
das werden meine Kinder noch gut spüren;
wenn ich dort lieg' in meinem Grab,
dann werden sie die Hände deshalb ringen,
dass mir der Nam' je war bekannt
von dieser Hausmannin.
|
13
Do sprach der herr aufs zornes wän
gen seinen reten gar an als verdriessen:
"wie lang sol ich in ligen lan?
künt ir die taiding nimmer mer versliessen?
was hilft mich nu sein trauren da?
mein zeit getraut ich wol mit im vertreiben,
wir müssen singen fa, sol, la
und tichten hoflich von den schönen weiben.
pald ist die urfech nicht berait,
so lat si kurzlich schreiben."
|
13
Da sprach der Fürst in sanftem Zorn
zu seinen Räten ohne jeden Unwill'n:
"Wie lang soll ich ihn liegen lassen?
Könnt ihr den Rechtsfall gar nicht mehr
abschließen?
Was nützt mir nun sein Kummer hier?
Ich könnte meine Zeit mir ihm vertreiben,
wir sollten singen fa, sol, la
und höfisch von den schönen Frauen dichten.
Ist die Urfehde noch nicht da,
dann lasst sie schleunigst schreiben."
|
14
Dem kanzler ward gebotten zwar,
aufs meiner väncknuss half er mir behende,
geschriben und versigelt gar.
des danck ich herzog Fridrich an mein ende.
der marschalck sprach: "nu tritt mir zü,
mein herr hat deins gesanges kom erbitten."
ich kom für in, do lacht er frü;
secht, do hüb sich ain heulen ane sitten.
vil mancher sprach: "dein ungevell
soltu nicht han verritten."
|
14
Dem Kanzler wurde gleich befohl'n,
er half aus der Gefangenschaft sogleich mir,
geschrieben und besiegelt war's.
Ich dank' dem Herzog Friedrich bis zum Tode.
Der Marschall sprach: "Komm' zu mir her,
mein Herr wünscht den Gesang von dir zu hören."
Ich kam zu ihm, da lachte er:
da hob ein Johlen an ganz ohne Hemmung.
So mancher sprach: "Dein Missgeschick
hätt'st nicht versäumen dürfen! "
|
15
Der wirdig got, der haimlich got,
der wunderlich in den vil ausserkoren,
der liess mir nie kain freis gebott
die leng, des han ich dick ein spil verloren.
mein tentschikait und üppig er
ist mir durch in an wasser offt erloschen,
wann zeuch ich hin, so wil er her,
in disem streit so wird ich überdroschen.
verdiente straff zwar umb die minn
bestet mich manchen groschen.
|
15
Der große, unsichtbare Gott,
der wunderbar in dem viel Auserkor'nen,
er ließ mir nie den freien Will'n,
so hab' ich oft ein Spiel verloren.
Mein Stolz und auch die Eitelkeit
sind ganz ohne Wasser mir vergangen,
denn zieh' ich hin, dann will er her,
in diesem Kampf werd' ich dann übertölpelt.
Verdiente Strafe um die Lieb'
kostet mir viele Groschen.
|
Kl. 5: Ich sich und hör
Eine sehr eigenwillige Form der Auseinandersetzung mit seinem mittelalterlichen Berufskollegen Oswald findet sich im Werk des deutschen Lyrikers Thomas Kling (1957 – 2005). Der „Tiroler Ritter von der Alpensüdseite“, wie er Oswald nennt, hat Kling zu einem Monolog inspiriert, der sich skizzenhaft assoziativ an der Biographie des Wolkensteiners orientiert und „in Nachdichtung und eigenen Texten das Leben des weltreisenden Oswald von Wolkenstein reflektiert“ . Der Monolog, der von Blas- und Schlaginstrumenten sowie von einem Sprecher und drei Tänzerinnen begleitet wird, trägt den Titel wolkenstein. mobilisierun’ und wurde 1993 an der Musikhochschule Köln uraufgeführt. Hören Sie nun einen kurzen Ausschnitt – vorgelesen ohne musikalische Begleitung:
in der düsternis,
altersdüsternis,
im einäugigen dunkel.
ausbruchsicher in der geräuscharmut.
im summen der nacht,
nachtsumme ohne übersicht,
ohne die übersicht behalten zu können.
noch mehr toter trakt. nichts
zu ertasten. ohne übersicht
behalten zu haben.
slowmotion,
das auge, kriechtier,
geht die wände hoch.
kaum luft
dringt ein,
durch durchlaß getriebener
luftnagel.
weißgefleckt, alles
voller weißer flecken. leben
diese streuüberlieferung.
daten-patchwork, ansonsten:
düsternis, stoßweises beten.
aus schallschluckendem atemtrakt.
das summiert sich, hat sich
ausgesummt.
angelangt, na gut, am
finstern stern. am
finstern stern, kap finisterre
gehockt. erdende in reichweite,
knisternd, alles knisterte,
aragonische stoffe, knisternd
lombardische stoffe, alles
in knisternder reichweite,
kap finisterre, der finstre stern;
die luft am knistern.
nägel mit köpfen,
spanischer atem: mein
durchatmen in aragón.
da hats geknistert, mein lieber mann.
das ist geschluckt, weiße flecken,
weggesummtes taglied, das ist
meine wegsumme, ausgesungen.
meine ausgesungene
stimme.
was mir noch vor den mund gerät.
geknister. nicht nur
knackende altersdüsternis woran
ich knacke.
Diese altersdüsternis bildet die Überleitung zum Lied, das Eberhard Kummer als nächstes singen wird. Es ist eine Altersklage und gehört in den Kontext von Oswalds Gefangenschafts-Liedern. Manches von dem, was wir jetzt hören, wird uns vielleicht bekannt vorkommen.
Ich sich und hör
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1
Ich sich und hör,
das mancher klagt verderben seines gütes,
so klag ich neur die jungen tag,
verderben freies mütes,
wes ich vor zeiten darinn pflag,
und klain emphand, do mich die erden trüg.
Mit kranker stör
houbt, rugk und bain, hend, füss das alder meldet;
was ich verfrävelt hab an not,
her leib, den mütwill geldet
mit blaicher farb und ougen rot,
gerumpfen, graw: eur sprüng sind worden klüg.
Mir swert herz, müt, zung und die tritt,
gebogen ist mein gangk,
das zittren swecht mir all gelid,
owe ist mein gesangk.
dasselb quientier ich tag und nacht,
mein tenor ist mit rümpfen wolbedacht.
|
1
Ich seh' und hör',
dass viele klagen, wie ihr Gut verderbe,
doch ich beklag' die Jugendzeit,
das Schwinden freien Sinnes
und was ich damals halt so trieb
und nicht beachtet, weil die Welt mich hielt.
Mit Schwäche sich
Kopf, Rücken, Händ' und Füß' im Alter melden,
was ich gefrevelt hab' ohn' Zwang,
die Bosheit rächt der Leib jetzt
mit blasser Haut und rotem Aug',
verrunzelt, grau, die Sprünge sind vorbei.
Mich schmerzen Herz, Kopf, Zung' und Tritt',
mein Gang ist schon gebeugt,
das Zittern schwächt mir jedes Glied,
"oh weh" ist mein Gesang;
den intonier' ich Tag und Nacht,
die Stimme ist schon brüchig, wie man hört.
|
2
Ain krauss, weiss har
von löcken dick hett ainst mein houbt bedecket,
dasselb plasniert sich swarz und graw,
von schilden kal durch schöcket;
mein rotter mund wil werden plaw,
darumb was ich der lieben widerzäm.
Plöd, ungevar
sind mir die zend, und slawnt mir nicht ze keuen,
und het ich aller wende güt,
ich künd ir nicht verneuen,
noch kouffen ainen freien müt,
es widerfür mir dann in slaffes träm.
Mein ringen, springen, louffen snell
hat ainen widersturz,
für singen hüst ich durch die kel,
der autem ist mir kurz;
und gieng mir not der külen erd,
seid ich bin worden swach und schier unwerd.
|
2
Ein wellig-blondes Haar
mit dicken Locken hat mein Haupt bedeckt einst;
das zeigt sich jetzt im Schwarz und Grau,
dazwischen kahle Stellen;
mein roter Mund wird langsam blau,
darum war ich der Liebsten widerlich.
Schwach, nicht mehr schön
sind meine Zähn' und taugen nicht zum Kauen,
hätt' ich das Geld der ganzen Welt,
könnt' ich sie nicht erneuern
noch kaufen mir ein leicht' Gemüt,
das gibt es für mich nur mehr in dem Traum.
Mein Kämpfen, Springen, schneller Lauf
ist wohl zu Ende jetzt,
statt singen hust ' ich aus der Kehl',
mein Atem ist schon kurz;
die kühle Erde tät mir not,
weil ich so schwach und nutzlos worden bin.
|
3
Ach, jüngelingk,
bei dem nim war: tröst dich nit deiner schöne,
gered noch sterck! halt dich embor
mit gaistlichem gedöne!
wer du jetzund bist, der was ich vor,
kompst du zu mir, dein güt tat reut dich nicht.
Für alle dingk
solt ich jetz leben got zu wolgevallen
mit vasten, betten, kirchengän,
auf knien venien vallen.
so mag ich kainem bei bestän,
seid mir der leib von alder ist enwicht.
Für ainen siech ich allzeit vier
und hör durch groben stain,
die kindlin spotten mein nu schier,
darzü die freulin rain
mit anewitz ich das verschuld.
junck man und weib, versaumt nicht gottes huld!
|
3
Ach, Jüngling du,
sieh doch daraus, die Schönheit kann nichts nützen,
auch Stärke nicht! Schau nur hinauf
mit geistlichen Gesängen!
Wie du jetzt bist, so war ich einst,
wirst du wie ich, reut deine gute Tat dich nicht.
Vor allem doch
soll ich jetzt leben, wie es Gott gefalle,
mit Fasten, Beten, Kirchengeh'n
und auf die Knie fallen.
Das alles kann ich nicht mehr tun,
weil mich mein Leib durch's Alter ganz verlässt.
Statt einem seh' ich immer vier
und hör' wie durch den Stein,
die Kinder spotten mir jetzt schon,
die edlen Fräulein auch -
mein Unverstand ist daran schuld.
Ihr jungen Leute all, verpasst nicht Gottes Gnad'!
|
Kl. 14: Benedicite
Im Sommer 1445 hält sich Oswald in Meran auf, wo er an einem Landtag teilnimmt. Margarethe von Schwangau, seine Frau, weiß, dass es ihm gesundheitlich nicht gut geht. Von Hauenstein aus schreibt sie ihm einen Brief und erkundigt sich besorgt nach seinem Befinden:
Mein freuntlichen willigen dienst wist allezeit beuor herczen liebster herr. das ir wol möcht (wohlauf seid) vnd wol ging, das wer mir ein grösse fraüd. (…) vnd pitt euch, herczen liebster herr, ir welt euch in allen sachen für sehen, damit das euch kayn Smachait noch schad widervar, wan (denn) ir euch wol dürfft fürzesehen. (…) tut als wol, herczen liebster herr, wert ir lenger in dem Rat peleiben, So schickt nach mir. das will ich jmmer vmb euch vedienen, wann ich doch von euch nicht sein will, es sei da oder anderswa.
Noch in diesem Sommer, am 2. August 1445, stirbt Oswald im Alter von ca. 68 Jahren in Meran.
Wir wollen jetzt aber wieder zu den Lebenden zurück kehren, und zum Leben gehört nicht zuletzt gutes Essen und Trinken. Bevor nun das Buffet im Rittersaal eröffnet wird, hören Sie zum Schluss unseres Programmes ein gesungenes Tischgebet. Mit diesem Tischsegen Benedicite wünschen wir Ihnen einen guten Appetit und uns allen eine anregende Tagung.
Benedicite
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Benedicite
Gesegnet sei die frucht,
tranck, essen, wein und brot
von got, den mäglich zucht
gepar für war,
selbdritt ain durch uns laid den tod;
Der immer lebt an end,
ie was an anefangk,
sein leiplich speis... hie send
uns schier, wenn wir
in disem leben werden krank.
des hilf, frau, kron!
kyrieleison,
Vatter, heiliger gaist,
mit deinem sun
uns gnad vollaist
und nicht den feinden gunn,
das si uns verlaiten in we.
Amen, benedicite!
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Gesegnet sei die Speis',
Trank, Essen, Wein und Brot
durch Gott, den keusch die Magd
wirklich gebar,
der dreieinig für uns litt seinen Tod.
Der immer lebt ohn' End'
und ohne Anfang war,
send' uns sein's Leibes Speis' hierher,
wenn wir so schnell
in diesem Leben werden schwach.
Da hilf, du Königin,
Kyrieleison.
Vater, Heiliger Geist,
mit deinem Sohn
gib uns die Gnad,
den Feinden gönne nicht,
dass sie uns Unheil bringen.
Amen. Benedicite.
|
[1]
Mittelhochdeutsche Originaltexte:
Die Lieder Oswalds von Wolkenstein. Unter Mitwirkung von Walter Weiß und Notburga Wolf hrsg. von Karl Kurt Klein. Musikanhang von Walter Salmen. 3., neubearb. u. erw. Aufl. von Hans Moser, Norbert Richard Wolf und Notburga Wolf. Tübingen 1987 (Altdeusche Textbibliothek Nr. 55).
Neuhochdeutsche Übersetzung:
Oswald von Wolkenstein. Sämtliche Gedichte. Aus dem Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche übertragen von Franz Viktor Spechtler. Klagenfurt 2007.
[2]
http://kummer.gzpace.net/ (11.02.2010).
[3]
http://www.unicorn-ensemble.at/homeG.html (11.02.2010).
[4]
Zur Biographie Oswalds von Wolkenstein sowie zu seinen Liedern sind folgende Publikationen empfehlenswert: Anton Schwob: Oswald von Wolkenstein. Eine Biographie. 2. Aufl. Bozen 1977 (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 4); Dieter Kühn: Ich Wolkenstein. Eine Biographie. Frankfurt/M. 1977 u.ö.; überarbeitete u. leicht gekürzte Ausgabe Frankfurt /M. 1996 u.ö.; Oswald von Wolkenstein. Hrsg. von Ulrich Müller. Darmstadt 1980 (Wege der Forschung Bd. 526),
[5]
Vgl. Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein. Edition und Kommentar. Band 2: 1420-1428, Nr. 93-177, dort Nr. 163. Hrsg. von Anton Schwob unter Mitarbeit von Karin Kranich-Hofbauer, Ute Monika Schwob und Brigitte Spreitzer. Wien u.a. 2001, S. 231-240.
[6]
Karl Felix Wolff: Dolomitensagen. Sagen und Überlieferungen, Märchen und Erzählungen der ladinischen und deutschen Dolomitenbewohner. Mit zwei Exkursen Berner Klause und Gardasee. Unveränderter Nachdruck der 1989 in der Verlagsanstalt Tyrolia ersch. 16. Aufl. Bozen 2003.
[7]
Wolff, S. 307.
[8]
Vgl. Ulrike Kindl: Kritische Lektüre der Dolomitensagen von Karl Felix Wolff. Band 1: Einzelsagen. San Martin des Tor 1983, S. 95-97, Text S. 95 f., sowie Ulrike Kindl: Kritische Lektüre der Dolomitensagen von Karl Felix Wolff. Band II: Die Erzählungen vom Reich der Fanes. San Martin de Tor 1997.
[9]
Textabdruck bei Ulrike Kindl, S. 95 f.
[10]
http://www.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?TabID=3946&Alias=wzo&lexikon=Literatur&letter=L&cob=7697 (11.02.2010).
[11]
Anita Pichler: Wie die Monate das Jahr. Frankfurt/M. 1989, S. 129 f.
[12]
Vgl. Werner Marold: Kommentar zu den Liedern Oswalds von Wolkenstein. Bearb. u. hrsg. von Alan Robertshaw. Innsbruck 1995 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe Bd. 52), S. 97.
[13]
Benedikt Sauer: norbert c. kaser. Eine Biographie. Innsbruck 1997.
[14]
norbert c. kaser. Briefe. Hrsg. von Benedikt Sauer. Mit Nachträgen zu Band 1 und Band 2. Innsbruck 1991 (norbert c. kaser. Gesammlte Werke, hrsg. von Hans Haider, Bd. 3), S. 342-345. S.a. norbert c. kaser. Prosa. Geschichten, Schultexte, Stadtstiche, Glossen, Kritik. Hrsg. von Benedikt Sauer. Lesehilfen und Materialien von Benedikt Sauer und Toni Taschler. 1. Aufl. Innsbruck 1989, 2. Aufl. Innsbruck 1992 (norbert c. kaser. Gesammelte Werke, hrsg. von Hans Haider, Bd. 2); norbert c. kaser. Gedichte. Hrsg. von Sigurd Paul Scheichl. Lesehilfen und Materialien von Robert Huez. Innsbruck 1991 (norbert c. kaser. Gesammelte Werke, hrsg. von Hans Haider, Bd. 1).
[15]
http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Kling (11.02.2010).
[16]
Ein Oswald-Bezug zeigt sich auch im Oeuvre eines anderen Lyrikers, Günther Eich, der in einem Gedicht aus dem Jahr 1962 das sogenannte „Hauenstein-Lied“ (Kl. 116) als Vorlage für eine eigene assoziative Komposition verwendet (Günther Eich: Gesammelte Werke. Band I: Die Gedichte. Die Maulwürfe. Hg. vom Suhrkamp Verlag in Verbindung mit Ilse Aichinger, unter Mitwirkung von Horst Ohde und Susanne Müller-Hanpfl. Frankfurt/M. 1973.) Das Gedicht trägt den Titel Unterm Schlern und überspringt den Eingangsvers, der bei Oswald lautet: Zergangen ist meins herzen we, setzt stattdessen mit dem zweiten Vers ein: seid das nu fliessen will der snee.
[17]
http://www.thomas-witzmann.de/werke/wolkenstein.html (30.11.2009).
[18]
Thomas Kling: Gesammelte Gedichte 1981 – 2005. Hrsg. von Marcel Beyer und Christian Döring. Köln 2006, S. 563 f. S.a. Thomas Kling: Botenstoffe. Köln 2001, S. 147-149.
[19]
Hans Pörnbacher: Margareta von Schwangau, Herrn Oswald Wolkenstein Gemahlin. Weißenhorn 1983, S. 73 f.
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